Neben dem Rundgang durch das Kirchenschiff möchten wir Ihnen an dieser Stelle einen Blick in die wichtigen Nebenräume der Friedenskirche gewähren. Die 1908 erbaute Friedenskirche verfügt über viele Nebenräume (Toiletten, Abstellkammern, Turmräume und so weiter), wovon die «Altenstube» (rot markiert), die «Küsterstube» (grün markiert) und die «Sakristei» (blau markiert) am intensivsten von der Gemeinde genutzt werden.
Die «Altenstube» (rot markiert) ist ein Nebenraum der Friedenskirche, der sich nördlich des Kirchraumes befindet. Der im September 1905 für den Kirchenbau gezeichnete Erdgeschossgrundriss (rechts der Gewölbegrundriss) gibt Auskunft über die anfängliche Nutzung dieses Nebenraumes: «Confirmandensaal» ist dort zu lesen. Ursprünglich war dieser Konfirmandensaal durch zwei Durchbrüche mit dem Kirchraum verbunden. Auf dem historischen Foto (unten), das den Kirchraum in voller Pracht zeigt, ist ein Durchbruch zu sehen. Der zweite Durchbruch wird aus der Betrachterperspektive vom rechten Seitenschiff verdeckt. Inzwischen sind diese Durchbrüche verschlossen und die «Altenstube» nur vom Eingang Elfbuchenstraße her zu erreichen. Der genaue Zeitpunkt der Separierung von Kirchraum und Nebenraum ist dem Verfasser nicht bekannt. Es ist aber davon auszugehen, dass der Umbau entweder direkt bei der provisorischen Beseitigung der Kriegsschäden oder spätestens bei der Innenraumsanierung 1968/69 vorgenommen wurde. Hierbei wurden auch Sanitäranlagen in die «Altenstube» eingebaut und das Dach abgeflacht, um die Nordfenster der Kirche zu vergrößern (Nr. 89 1968: 22). Diesbezüglich sind die Baupläne wenig aufschlussreich, da der Plan von 1905 nicht exakt umgesetzt wurde. 1959 wurde das Gemeindehaus samt neuem Konfirmandensaal eröffnet.
Der Name «Altenstube» rührt von der Benutzung des Raumes ab ~1959 her. Zum 10-jährigen Jubiläum 1969 ist im Gemeindebrief Nr. 94 (S. 18) zu lesen: „Viele wissen sicher noch gar nicht, daß es in der Friedenskirche eine Altenstube gibt. Fünf Tage in der Woche von 15.00 bis 18.00 Uhr werden dort Männer und Frauen einerlei welcher Konfession betreut. Am 27. Januar feierten wir das zehnte Jahresfest. Schwester Maria gab einen Überblick über die vergangenen zehn Jahre: Es waren 30170 Besucher in 1966 Tagen in der Altenstube gewesen, von insgesamt 41 Helferinnen betreut. Jedes Jahr wurden 4 bis 5 Ausflüge gemacht. Viele andere Feste wurden begangen: Neujahr, Ostern, Erntedank, Advent, Weihnachten usw. Lichtbildervorträge und Geburtstagsfeiern waren Höhepunkte. […] Wir freuen uns über jeden alten Menschen, der zu uns findet und an unserer Gemeinschaft teilhat.“
Inzwischen wird die «Altenstube» gerne als Gruppenraum für Gemeindeveranstaltungen benutzt: Freundeskreis Vorderer Westen, Seniorengesprächskreis, Kirchenkaffee, um einige regelmäßige Beispiele zu nennen. Die «Altenstube» wurde im Frühjahr 2014 umfassend saniert. Eigentlich sollten 2013 nur neue Heizkörper für die neue Erdgasheizung angebracht werden, um die veralteten Nachtspeicheröfen zu ersetzen. Hierbei stellte sich aber heraus, dass die «Altenstube» gar nicht an den Heizkreislauf der restlichen Kirche angeschlossen war. Dieser Umstand führte zu einer Bauverzögerung. Daraufhin wurden die Fenster, das Dach, die Sanitäranlage und der Boden ebenfalls erneuert (vgl. Artikel zu den Umbaumaßnahmen). Inzwischen erstrahlt der Raum in neuem Glanz. Die Foto-Galerie zeigt die «Altenstube» vor, während und nach dem Umbau:
Die Türe rechts des Altars führt zur sogenannten «Küsterstube» (grün markiert). Auf dem Plan von 1905 ist der Raum mit dem vornehmen Wort «Kirchendiener» beschriftet. Seit der Innenraumsanierung 1998/99 ist der Raum grün gestrichen. Die Küsterstube beherbergt keineswegs alle Utensilien, die unser Küster benötigt, diese sind über die gesamte Kirche verstreut. Lediglich in einem kleinen Schrank sind Kerzen, Teelichter, Postkarten, Einlagen für die Gesangsbücher, Liednummern und so weiter vorhanden. Über dem Klavier, das bei Bedarf in die Kirche gefahren werden kann, hängt eine Fotogalerie mit den Pfarrern und Pfarrerinnen der Friedenskirche:
In der Festschrift «100 Jahre Friedenskirche Kassel» finden Sie Kurzbiografien der ersten 12 Pfarrerinnen und Pfarrer der Friedenskirche:
Amtszeit | Pfarrer | Pfarrstelle |
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1903-1936 | Franz Gustav Robert Hochstetter | 2. Pfarrstelle: östlicher Seelsorgebezirk (zugleich 5. lutherische Pfarrstelle) |
1906-1931 | Karl Stein | 1. Pfarrstelle: westlicher Seelsorgebezirk (zugleich 4. lutherische Pfarrstelle) |
1931-1963 | Waldemar Kost | 1. Pfarrstelle: westlicher Seelsorgebezirk (zugleich 4. lutherische Pfarrstelle), später mittlerer Seelsorgebezirk |
1937-1960 | Carl Otto Jagnow | 2. Pfarrstelle: östlicher Seelsorgebezirk (zugleich 5. lutherische Pfarrstelle) |
1948-1975 | Dr. Martin Schüler | 3. Pfarrstelle: westlicher Seelsorgebezirk |
1961-1979 | KR Burchard Lieberg | 2. Pfarrstelle: östlicher, später mittlerer Seelsorgebezirk |
1963-1990 | Johannes Becker | 1. Pfarrstelle: östlicher Seelsorgebezirk |
1976-1980 | Dr. Dr. h.c. Werner Hassiepen | 3. Pfarrstelle: westlicher Seelsorgebezirk |
1981-2000 | Reiner Remke | 3. Pfarrstelle: westlicher Seelsorgebezirk |
1982-1993 | Gottlieb Dellit | 2. Pfarrstelle: mittlerer Seelsorgebezirk |
1991-2022 | Matthias Meißner | 1. Pfarrstelle: östlicher Seelsorgebezirk |
1994-1995 | Dr. Christiane Dithmar | 2. Pfarrstelle: mittlerer Seelsorgebezirk |
1997-1999 | Anke Kaloudis (geb. Hassenpflug) | 2. Pfarrstelle: mittlerer Seelsorgebezirk (halber Dienstauftrag) |
2000-2010 | Inken Richter-Rethwisch | 2. Pfarrstelle: westlicher Seelsorgebezirk (später Stellenteilung mit Dr. Goldschmidt) |
2004-2010 | Dr. Stephan Goldschmidt | 2. Pfarrstelle: westlicher Seelsorgebezirk (halber Dienstauftrag) |
2010- | Carsten Köstner-Norbisrath | 2. Pfarrstelle: westlicher Seelsorgebezirk |
Die Sakristei (blau markiert), auch «blaue Sakristei» genannt, ist ein Nebenraum mit separatem Zugang. Die architektonische Klassifizierung für den sechseckigen Anbau ist nicht ganz leicht, im engeren Sinne sind die ab und zu benutzten Begriffe «Chor» oder «Apsis» unzutreffend. Bei der Innenraumsanierung 1998/99 wurde die Sakristei blau gestrichen, daher auch der Name «blaue Sakristei». Die Herkunft und Bedeutung des hölzernen Altars sind dem Verfasser unbekannt. Entgegen der Bedeutung des Wortes Sakristei dient die Friedenskirchensakristei nicht als Vorbereitungsraum für die Geistlichen und ist nicht Aufbewahrungsstätte der gottesdienstlichen Geräte. Die Federzeichnung (rechts) von 1936, die in der Küsterstube hängt, zeigt die drei Nebenräume, insbesondere die «Alte Stube» im ursprünglichen Bauzustand. Nach der Kriegsbeschädigung diente die Sakristei als Notkirche, in der die Gottesdienste gefeiert wurden. Seit dem Erntedankgottesdienst 1947 konnten die Gottesdienste wieder im Kirchenschiff stattfinden.
Die Sakristei wird dominiert von einem Kreuzigungsbild Christi (1770 1,10 m breit x 1,45 hoch; siehe Bildergalerie unten). Ursprünglich hing es zusammen mit dem Gemälde der «Verklärung Christi» (1764 [Angaben variieren von 1761-1767] 395 cm x 230 cm) in der alten, 1738 erbauten, lutherischen Kirche am Graben. Beide wurden von dem Hofmaler Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722 bis 1789) gestaltet. Die alte lutherische Kirche am Graben ist die «Mutterkirche» der Lutherkirche (zweite lutherische Kirche) und der Friedenskirche (dritte lutherische Kirche) und wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört. Die Gemälde blieben dank Auslagerung erhalten und wurden auf die beiden verbliebenen lutherischen Gemeinden aufgeteilt. Nachdem die Lutherkirche am Lutherplatz 2013 entwidmet und zur Jugendkulturkirche cross umgestaltet wurde, befindet sich die «Verklärung Christi» in der Kapelle des Hauptfriedhofs. Die Sakristeifenster wurden 1992 gestaltet, nachdem ein Teil der Glasscheiben gesprungen und die Eisenrahmen gerostet waren. Der Kirchenvorstand beschloss eine schlichte Gestaltung in roten, abgestuften Tönungen mit Bleistegen (Gemeindebrief Nr. 213 1992). Der Entwurf stammt vom Nürnberger Glasmaler Jochen Dorn, die Ausführung oblag der Firma Derix Glasgestaltung in Taunusstein.