Am 30. Oktober führten Dr. Barbara Richarz-Riedl und Matthias Meißner im Rahmen der Stadtteilfestwochen im Vorderen Westen durch die beiden Kirchen St. Maria und Friedenskirche. Die Führung begann in der Evangelischen Friedenskirche. Die Kirchen St. Maria, die katholischen Kirche am Bebelplatz, und die Friedenskirche stehen seit über 100 Jahren in direkter Nachbarschaft und sind ungefähr gleich alt. Meißner, der den östlichen Seelsorge-Bezirk der Friedenskirche betreut, sprach über die Geschichte der Friedenskirche: die Architektur, ihren Baustil und ihre städtebauliche Bedeutung. Die Kunsthistorikern Dr. Richarz-Riedl führte durch die katholische Nachbarkirche.
Sie begann ihren Vortrag mit der Erschließung des Stadtteils und beleuchtete die Rolle des jüdischen Insdustriellen Sigmund Aschrotts. Dieser schenkte verschiedenen Gemeinden Grundstücke für ihre Kirchenbauten im neuen Stadtteil, so auch der katholischen Gemeinde. Die 251 414 Mark teure Kirche St. Maria wurde 1901 im neuromanischen Stil nach Plänen des Architekten Georg Kegel erbaut. Die Kirche steht unter dem Patronat Marias, der Königin des Rosenkranzes. Daher rührt auch die volkstümliche Bezeichnung „Rosenkranzkirche“.
Von außen gut sichtbar sind die schweren, geschnitzten Türen mit Eisenbeschlägen. Die steinernen Löwen am Eingang sowie die Köpfe an den Simsen des Turmdaches sind typisch romanisch. Der 48 Meter hohe Turm tritt mit den beiden Türmen der Friedenskirche in einen „optischen Dialog“ ein. Nur eine der vier Bronzeglocken ist Eigentum der Kirchengemeinde.
St. Maria hat ein großes Längsschiff, zwei Seitenschiffe und einem Querschiff. Kegel verwendete die typischen geometrischen Grundformen Quadrat, Kreis und Halbkreis im Grundriss sowie einzeln oder gruppiert angeordnete Rundbogenfenster in der Fassade. Der Grundriss zeigt eine exakte Regelmäßigkeit: Die Abmessungen von Quer- und Längsschiff sind vollkommen gleich – dadurch bildet die Vierung ein perfektes Quadrat von 12×12 Metern. Der Altar befindet sich in der Chorrundung Richtung Osten. Die klare Architektur weist nur wenige ausschmückende Details auf. Früher war der Innenraum künstlerisch reichhaltiger gestaltet. Oben an den Halbsäulen befinden sich kleine Engelsköpfe; zur Orgelempore hin befinden sich zwei Porträts aus Stein: links Architekt Georg Kegel, rechts Heinrich Burchard, der erste Pfarrer. Die schmiedeeisernen Gitter unter der Orgelempore und dem Brüstungsgitter vor der Pietà enthalten florale Muster, typisch für den neuromanischen Stil.
In Zusammenhang mit der Liturgiereform (dem Zweiten Vatikanische Konzil) wurde der Altarraum mit dem Ziel der „Einheit der Sakramente“ neu gestaltet, so Dr. Richarz-Riedl. Der neue Altar rückte in die Vierung, das Taufbecken und der Ambo nach vorn. Haupt- und Nebenaltäre wurden entfernt, ebenso wie die Kommunionbänke, das Chorgestühl und die Kanzel.
Die 1905 bis 1908 erbaute Friedeskirche ist das stadtteilprägende Bauwerk im Vorderen Westen. Sie liegt der katholischen Kirche St. Maria direkt gegenüber, ist aber in Stil des Neubarocks gestaltet und wurde nach den Plänen von Johannes Roth errichtet.
Die katholische Kirche ist der Tradition nach richtig ausgerichtet ist und somit geostet. Die evangelische Gemeinde schaut beim Gottesdienst hingegen nach Westen und somit auf die Rosenkranzkirche. Folglich kann die bauliche Ausrichtung beider Kirchen als Anfangspunkt eines ökumenischen Dialoges angesehen werden.
Als der Innenraum der Rosenkranzkirche 1975 saniert wurde, feierte die katholische Gemeinde ihre sonntäglichen Gottesdienste in der Friedenskirche sowie im Diakonissenhaus. Während der Umbauarbeiten am Gemeindehaus der Friedenskirche konnte die evangelische Gemeinde Unterkunft im katholischen Gemeindehaus finden.
Einen detaillierten Rundgang durch die Friedenskirche bieten wir Ihnen hier auf unserer Webseite an. In den nächsten Wochen werden wir diesen vervollständigen.
>>> Zum Rundgang durch die Friedenskirche
// Lukas Kiepe, Stand: 15. November 2013