Altarraum

Die aktuelle Gestaltung des Altarraumes stammt aus zwei verschiedenen Zeitabschnitten der Friedenskirche. Altar und Kanzel (aus Külter Muschelkalk), sowie Kreuz und Leuchter entstammen dem Umbau 1968/69. Die goldene Altarwand ziert seit der Umgestaltung 1998/99 den Innenraum der Friedenskirche, genauso wie die wilhelminischen Eisenvasen und Amphoren.

H. Pohl (1969): Altarkreuz

Ab der Umgestaltung 1968/69 erstreckte sich die Altarwand durchgängig in voller Höhe vom Boden bis zum  Ansatz des Gewölbes. Erst 1992 wurde die ursprüngliche Westempore (für die Orgel) wieder geöffnet. Wie der gesammte Innenraum war diese Wand weiß gestrichen. Das Altarkreuz und die sechs Kerzenleuchter hinter dem Altar sowie das Lesepult (1980) wurden vom Bildhauer Hermann Pohl geschaffen.
Das vergoldete Altarkreuz stellt zugleich den gekreuzigten und den auferstandenen Christus in segnender Haltung dar. Auf dem Kreuz sind vier Jesus-Geschichten abgebildet. Von oben im Uhrzeigersinn:
– Endzeitliches Abendmahl: Markus 14,17-25 (oben)
– Auferweckung des Lazarus: Johannes 11 (rechts)
– Heilung eines Blinden: Johannes 9 (unten)
– Salbung durch eine Sünderin im Haus des Pharisäers: Lukas 7,36-50 (links)

Was stellt das Kreuz dar?

Auszug aus dem Gemeindebrief Nr. 92 Mai/Juni 1969 (Seite 11):

Rückseite des Altarkreuzes: „Ich bin das A & O“

„Vor dem Hintergrund des Kreuzes erscheint die Gestalt Jesu nicht hängend, sondern eher thronend, einladend und segnend. Es ist der Auferstandene, der aber an Nägelmalen und Seitenwunde als der für uns Gekreuzigte kenntlich bleibt. Tod und Auferstehung Christi, Karfreitag und Ostern gehören zusammen. So entspricht es dem biblischen Zeugnis und auch dem Verständnis der frühchristlichen Kunst. Die Lösung des Bildhauers Pohl ist angeregt worden durch byzantinische Kreuze aus dem 5./6. Jahrhundert. Von der Auferstehung her empfängt das Kreuz erst seinen Sinn. Das soll hier ausgesagt sein. Um die Gestalt Christi herum sind Szenen aus dem Wirken Jesu gruppiert. Das Heil, das Gott in Christus schafft, gilt den Menschen. Darum steht es nicht isoliert. Die blauen Felder zwischen den bildlichen Darstellungen deuten an, was Christus verheißen hat: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.“ Die Bilder stellen dar:
Unten: Die Heilung des Blinden – Christus macht sehend für unser Heil.
Links: Die große Sünderin trocknet mit ihren Haaren die Füße des Herrn – Christus weckt unsere Liebe durch seine Vergebung.
Rechts: Die Auferweckung des Lazarus – Christus schenkt neues Leben durch sein Wort.
Oben: Der Auferstandene im Kreise der Jünger, unter denen auch der zweifelnde Thomas ist – Christus führt den fragenden und zweifelnden Menschen zum Glauben in der Gemeinde, die die Verheißung seiner Gegenwart hat.
Die künstlerische Technik, in der diese Szenen ausgeführt sind – Emaille in Bronze eingelegt – ist gleichfalls von byzantinischen Vorbildern angeregt. In den Farben kehrt die alte Farbsymbolik wieder:
Gold: als Grundfarbe des Materials und des Corpus weist hin auf die Herrlichkeit Gottes und seiner ewigen Welt (Die Stadt der goldenen Gassen).
Rot: als Farbe der Liebe, die der Heilige Geist wirkt. Darum trägt Christus das rote Gewand.
Grün: als Farbe der Hoffnung, die Christus den Menschen und der Welt ermöglicht.
Blau: als Farbe des Glaubens, der auf die Treue Gottes antwortet.“

Auf der Rückseite des Kreuzes steht: „Ich bin das A und O“. Die Textstelle hierfür findet sich im ersten Kapitel der Offenbarung des Johannes, dem letzten Buch des Neuen Testamentes: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht Gott der HERR, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.

Zur Geschichte des Kreuzes

Im Mai 1968 erfolgten die Vorgaben von Architekt Hapser für ein Kreuz mit maximal 90 x 90 Zentimetern. Pohl fertigte drei Entwürfe im Modell 1:50 an, stellte diese im Januar 1969 vor und erhielt den Auftrag. Am 17. Februar 1969 erfolgte der Auftrag für sechs Leuchter in Bronze. Am 27. Februar wurde das Kreuz in Sinn (Glockengießerei Rincker, Dillkreis) überarbeitet und in Bronze gegossen. Im Februar und März erfolgte die Arbeit an den Leuchtern, Anfang April wurde das Kreuz emailliert. Am 18. April schließlich die Versetzung in der frisch sanierten Kirche, die am 20. April, Misericordias-Domini (= Barmherzigkeit des Herrn), erneut ihrer Bestimmung übergeben wurde.

Ambo

Links des Altares findet sich der Ambo also das Pult für gottesdienstliche Lesungen. Wie das Kreuz und die Leuchter wurde auch der Ambo von Hermann Pohl geschaffen. Am 1. Advent 1980 wurde er der Kirchengemeinde vorgestellt. Das Lesepult wurde aus zweckgebundenen Spendenmitteln finanziert, die Arbeiten begannen im Juni 1980 und am 18.07.1980 ging der Entwurf zur Gießerei. Auf dem Ambo sind viele Pflanzen, aber besonders viele Tiere abgebildet. Der Ambo ist in fünf Dreiecke gegliedert.
Im mittleren Dreieck sind von oben nach unten zu sehen: die Sonne (links) und der Mond rechts. Unter diesen Himmelskörpern befindet sich ein weiterer Kreis. Je ein Viertel dieses Kreises ist einem Evangelisten gewidmet. Matthäus ist als Engel abgebildet. Für Markus steht der Löwe, das Symbol für Lukas ist der Stier. Johannes ist der Adler. Mehr zu der Evangelistensymbolik erfahren sie in der Wikipedia. Der andere Teil des mittleren Dreieckes ist von unten nach oben als Schöpfungsgeschichte zu lesen: Pflanzen, Meerestiere, Vögel, Landtiere und dann als Krone der Schöpfung die Menschen als Mann und Frau.
Das Dreieck ganz links stellt die Berufung des Paulus dar. Der durch eine Lichterscheinung vom Pferd gestürtzte Saulus erblindet für drei Tage, daher die Hand vor dem Gesicht. Die handreichende Person oben steht für einen seiner Begleiter  (Apostelgeschichte 9, 8): „Sie nahmen ihn bei der Hand und führten ihn nach Damaskus hinein.“ Das Schwert gilt Symbol des Paulus, da er als Märtyrer mit dem Schwert gerichtet wurde.
Das Dreieck links der Mitte stellt den Sündenfall des Menschen mit Adam, Eva und der Schlange (Genesis, Kapitel 3) dar. Adam, der die Frucht in der Hand hält, und Eva stehen rechts und links vom Baum der Erkenntnis. Unter ihnen sind Löwe und Löwin, Fenek, Widder und ein Frosch zu sehen, ein Specht sitzt am Baumstamm. Im Baum ist die Schlange und trägt die Inschrift „Eritis Sicut Deus“ – „Ihr werdet sein wie Gott“, die Worte der Schlange aus dem dritten Vers: „Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“. Die Inschrift beginnt mit dem Kürzel „CH“ und endet mit den Worten „IAM MOI“. Am Ende der Schlange und der Inschrift sitzt ein Affe. Womöglich eine Anspielung auf 1. Korinther 13: „Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk. Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war. Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.“
Das Dreieck ganz rechts zeigt die Berufung des Propheten Jesaja. So steht bei Jesaja 6: „Die Türschwellen bebten bei ihrem lauten Ruf und der Tempel füllte sich mit Rauch. Da sagte ich: Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe mitten in einem Volk mit unreinen Lippen und meine Augen haben den König, den Herrn der Heere, gesehen. Da flog einer der Serafim zu mir; er trug in seiner Hand eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. Er berührte damit meinen Mund und sagte: Das hier hat deine Lippen berührt: Deine Schuld ist getilgt, deine Sünde gesühnt. Danach hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich antwortete: Hier bin ich, sende mich!“ Zu sehen ist der Engel von oben kommend mit der glühenden Kohle in der Hand, die er vom Altar nahm. Der Rauch als verbindendes Symbol zwischen Himmel und Erde erscheint in zweierlei Gestalt. Einerseits steigt er nach oben, andererseits bleibt er in der Horizontalen. Ganz unten ist ein Hase.
Das Dreieck rechts der Mitte stellt das Gleichnis der Arbeiter im Weinberg dar. Ganz oben der Hahn als Symbol des Morgens, die Eule als Symbol des Abends fehlt, darunter der lehrende Christus.
Die historische Altarwand war einer Ikonostase nachempfunden. Eine Ikonostase ist die Wand, die in orthodoxen Kirchen die im Kirchenschiff sitzende Gemeinde vom Priester im Altarraum trennt. In der Mitte der Altarwand gab es ursprünglich eine Tür und an den beiden Seiten jeweils zwei aufgemalte Scheintüren, also insgesamt fünf Türen. Nach der Wiederherrichtung der Kirche 1948 wurden die Scheintüren überstrichen, die richtige Tür blieb bestehen. 1968/69 wurde der Altarraum mit einer Wand verschlossen, die Türe war nicht mehr sichtbar. Bei der Öffnung der Empore 1991/92 für die neue Orgel wurde die Wand entfernt und damit auch zeitweise die Tür sichtbar. Mit der Neugestaltung 1998/99 wurde das Element der Ikonostase wieder aufgegriffen. Die Goldwand nimmt die ursprüngliche Botschaft der alten Gestaltung – einer Ikonostase als Übergang zur Welt Gottes, zur Welt des Lichts – mit modernen Mitteln auf. Auf diese Weise wird die ursprüngliche Form des Raumes mittels Farbe quasi „wiederbelebt“.
[1] Hermann Pohl (1997): Wort und Gestaltung. Bildwerke in Kurhessen-Waldeck. Kassel: Verlag Evangelischer Medienverband Kassel.
[2] Gemeindebrief Nr. 92 Mai/Juni 1969 (Seite 11)
[3] Datenbankauszug Atelier H+F Pohl 

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