Vielfalt-Verstärker 2020: Partnerschaft mit Mevlana-Moschee gewinnt Preis

Die Partnerschaft zwischen der Mevlana-Moschee in Kassel-Mattenberg und der Friedenskirche im Kasseler Vorderen Westen besteht seit sieben Jahren. Jetzt wurde dieser interreligöser Austausch als „Vielfalt-Verstärker 2020“ prämiert.

Die Initiative „Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung“ gab am 23. Oktober die Gewinnerinnen und Gewinner der „Vielfalt-Verstärker 2020“ bekannt. Insgesamt wurden sechs Projekte aus der Region Kassel ausgezeichnet. Damit ehrt der Zusammenschluss von Unternehmen, Vereinen und Organisationen aus Kassel und Nordhessen das zivilgesellschaftliche Engagement aktiver Bürgerinnen und Bürger, die sich für Respekt, Toleranz und Vielfalt in all ihren Dimensionen einsetzen.
Die ausgezeichneten Projekte erhalten, neben der Ehrung als „Vielfalt-Verstärker 2020“, Preisgelder in Höhe von insgesamt 30.000 Euro. Diese sind Teil der Jahresspende von Wintershall Dea, einem der Gründungsunternehmen der Demokratie- und Toleranzinitiative „Offen für Vielfalt“.
Prof. Dr. Klaus Geiger, Gemeindeglied der Friedenskirche und neben Mahmut Eryilmaz von der Mevlana-Moschee einer der Initiatoren der Partnerschaft, wünscht sich, dass der Preis zu ähnlichen Projekten anregt: „Denn unsere Partnerschaft beweist, was mit einem überschaubaren Aufwand und einem gewissen Durchhaltevermögen im interkulturellen Dialog zu erreichen ist.“
Die Partnerschaft zwischen der Mevlana-Moschee in Kassel-Mattenberg und der Friedenskirche im Kasseler Vorderen Westen
Seit gut sieben Jahren besteht aufgrund einer Initiative von Mitgliedern der beiden Gemeinden eine Partnerschaft zwischen der Friedenskirche im Kasseler Vorderen Westen und der Mevlana-Moschee in Kassel-Mattenberg. Ziel ist nicht nur, dass sich Menschen verschiedenen Glaubens kennen und verstehen lernen. Es sollen auch Wissen über den jeweiligen Glauben vermittelt und Vorurteile darüber abgebaut werden. Dazu treffen wir uns zu Veranstaltungen, in deren Mittelpunkt kurze und allgemeinverständliche Referate eines Pfarrers und eines Imam zu einem religiösen Thema stehen, gefolgt von immer regen Diskussionen der Gemeindemitglieder. Letztes Jahr ging es um das Thema „Tod und Leben nach dem Tod“ in der christlich-protestantischen und der islamisch-sunnitischen Lehre. Dabei lernen die Teilnehmenden auch die religiösen Räume kennen und bekommen die Liturgien der Gottesdienste erklärt. Hinzu kommen gemeinsame Aktionen, wie z. B. Besuche des Stadtmuseums und des Sepulkralmuseums in Kassel, und gegenseitige Einladungen zu Feiern und Veranstaltungen. Die beiden Gemeinden nehmen außerdem gemeinsam an Aktivitäten teil, etwa bei Feiern des Runden Tisches der Religionen der Stadt Kassel oder bei der Ausbildung freiwilliger Jugendhelfer (Juleica). Neben der Aufgabe, Menschen unterschiedlicher Religionen zusammenzuführen, verfolgt das Projekt das Ziel, die Integration und Aktivierung soziokulturell sehr unterschiedlich strukturierter Stadtteile im Rahmen der Stadtgesellschaft voranzutreiben.
Testimonial: Bischöfin Dr. Beate Hofmann, Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, und Runder Tisch der Religionen Kassel
Begründung: Die Mevlana-Moschee und die evangelische Friedenskirche leben Partnerschaft auf überzeugende Weise durch Begegnung, religiöse Diskussionen und gemeinsame Exkursionen. Besonders beeindruckt die Idee, für christliche und muslimische Jugendliche gemeinsame Jugendleiter-Kurse anzubieten. Die Partnerschaft gibt ein gutes Beispiel für interreligiösen Dialog, der dem gegenseitigen Verständnis und der wechselseitigen Bereicherung durch religiöse Vielfalt dient.


Zum Preis „Vielfalt Verstärker 2020“
Gerade mit Blick auf die Coronakrise, die viele Vereine und Initiativen finanziell getroffen hat, aber auch vor dem Hintergrund rechtsextremer Anschläge wie in Halle und Hanau sowie der Ermordung von Walter Lübcke würdigt die Initiative ehrenamtliches Engagement für eine starke, demokratische und aktive Zivilgesellschaft.
Mario Mehren, Vorstandsvorsitzender von Wintershall Dea, sagte anlässlich der Bekanntgabe der diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger: „Eine vielfältige Gesellschaft lebt immer – und gerade in krisenhaften Zeiten ganz besonders – vom Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger. Es sind Menschen wie die Vielfalt-Verstärker, die in diesen ungewöhnlichen Zeiten bewusst Verantwortung übernehmen und einen unschätzbaren Beitrag zur Kultur eines menschlichen Miteinanders leisten. Sie sind ein Gewinn für die Gemeinschaft.“
„Die Vielzahl der Bewerbungen um die Auszeichnung ‚Vielfalt-Verstärker 2020‘ freut mich ganz besonders“, betonte auch die Kasseler Bürgermeisterin und Schirmherrin der diesjährigen Ausschreibung, Ilona Friedrich. „Das zeigt, wie zahlreich und einzigartig der Einsatz für Vielfalt in unserer Stadt ist. Die ‚Vielfalt-Verstärker 2020‘ gehen hier mit Begeisterung und aus Überzeugung voran und sind ein Paradebeispiel für Bürgerengagement, das über Nordhessen hinaus wirkt“.
Mehr als 40 Initiativen aus der Region Kassel hatten sich in diesem Jahr um den Titel als „Vielfalt-Verstärker“ beworben. Die Gewinner:innen in den sechs anerkannten Vielfaltsdimensionen Alter, geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung, Religion und Weltanschauung, Behinderung sowie eth-nische Herkunft wurden von Persönlichkeiten aus der Kasseler Politik, Kultur und Zivilgesellschaft ausgewählt – unter ihnen neben Bürgermeisterin Ilona Friedrich auch Bischöfin Dr. Beate Hofmann von der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und Susanne Selbert, Landesdirektorin des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen.
Vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen in der Stadt Kassel wurde eine, ursprünglich für den 23. Oktober 2020 angesetzte, feierliche Preisverleihung in kleinem Kreis im Bürgersaal des Rathauses Kassel vor zwei Tagen abgesagt.
Weitere Gewinner:innen, Testimonials und Begründungen im Überblick
In der Dimension Alter
Das Patennetzwerk Kassel-Ost
Testimonial: Barbara Koblitz, Leiterin des Fachgebiets Alter und Begleitung der Diakonie Kassel
Begründung: Das Patennetzwerk Kassel-Ost, getragen von Stadtteilzentrum Agathof und Kulturzentrum Schlachthof, hat es sich seit 2012 zur Aufgabe gemacht, das Verständnis für andere Lebenssituationen und Kulturen zu fördern. Dabei sind besonders die älteren Menschen im Blick, die seltener fremde Kulturen kennen gelernt haben und sich hier ehrenamtlich als Paten engagieren. Über gemeinsame Aktivitäten mit den Kindern erhalten sie Einblicke in „fremde Welten“, die Kinder erfahren Zuwendung und Unterstützung.
In der Dimension geschlechtliche Identität
Das Projekt „Ladies & digitale Kompetenzen“ des Vereins Indimaj e.V.
Testimonial: Dr. Sylke Ernst, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Universität Kassel
Begründung: Das im Jahr 2020 gestartete Projekt „Ladies & digitale Kompetenzen“ des Kasseler Vereins Indimaj unterstützt Frauen mit Migrationshintergrund bei der Teilhabe an der digitalen Entwicklung in allen Lebensbereichen. Das Projekt zeichnet sich dadurch aus, dass es mit „Geschlecht“ und „ethnischer Herkunft“ zwei Vielfaltsdimensionen adressiert und einen umfassenden Ansatz der Integration verfolgt. Das Projekt ist geeignet eine Lücke in den Unterstützungsstrukturen in Kassel zu schließen und verdient den Preis als Vielfalt-Verstärker 2020.
In der Dimension sexuelle Orientierung
Die Jugendgruppe „Young and Queer“ des Mädchenhauses Kassel
Testimonial: Katja Wenning oder Vanessa Ruth, Ansprechpartnerinnen für gleich-geschlechtliche Lebensweisen im Polizeipräsidium Nordhessen
Begründung: Die Jugendgruppe „Young & Queer“ erhält den Preis als „Vielfalt-Verstärker“ in der Dimension „Sexuelle Orientierung“, weil sie für Jugendliche (Trans, Inter, Non Binary / Genderqueer) bis 27 Jahren, die sich in dem Prozess der Entwicklung und Begreifung ihrer sexuellen Orientierung befinden, eine be-ständige Ansprechpartnerin ist, die ihnen in den verschiedensten Belangen Hilfestellungen und Unterstützung bietet.
In der Dimension Behinderung
Die Theatergruppe IRRLICHTERPP des Vereins Kasseler Visions Theater e.V.
Testimonial: Susanne Selbert, Landesdirektorin des LWV Hessen
Begründung: Die Mitglieder der Theatergruppe IRRLICHTER verbindet das Ziel, gutes Theater auf die Bühne zu bringen. Zum Ensemble gehören Menschen mit und ohne Behinderungen. Die Inszenierungen entstehen aber nicht für oder mit Menschen mit Behinderungen, sondern in gegenseitiger Wertschätzung aller Ak-teure mit ihren kreativen Potentialen. Die individuellen Fähigkeiten und Stärken werden in gemeinsamer Verantwortung zu einer Ensembleleistung, die das Publikum begeistert. Die gelebte Inklusion der Theatergruppe IRRLICHTER wird als Vielfaltsverstärker der Inklusion von Menschen mit Behinderungen ausgezeichnet.
In der Dimension ethnische Herkunft
Das Projekt 3×3 Chancenpat*innen des Freiwilligenzentrums Kassel
Testimonial: Ilona Friedrich, Bürgermeisterin der Stadt Kassel
Begründung: Die „Chancenpat*innen – Kasseler 3×3“ schaffen wertvolle und wichtige Begegnungen und bringen Menschen zusammen. Sie geben Menschen unterschiedlicher Zielgruppen die Möglichkeit, besseren Anschluss in unserer Ge-sellschaft zu finden und die Gelegenheit hierdurch Bereicherung zu erfahren. Ihr Einsatz trägt zu mehr Teilhabe, Inklusion, gegenseitigem Verständnis sowie Offenheit untereinander bei und fördert den Zugang zu bürgerschaftlichem Engagement. Durch eine einfache Projektidee gelingt es den ehrenamtlichen Chancenpat*innen eine große Wirkung für die Menschen und die gesamte Stadtgesellschaft zu erzielen.
Über die Initiative „Offen für Vielfalt“
Im Spätsommer 2018 wurden in Chemnitz Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder ihres Einsatzes für Demokratie zu Zielscheiben. Die Medien sprachen von „Hetzjagden“, schockierende Videos waren zu sehen. Gemeinsam wollten fünf in Kassel ansässige Unternehmen – die Hübner GmbH, die Schaltbau Bode Gruppe, die K+S Aktiengesellschaft, die Kasseler Sparkasse und Wintershall Dea – im Oktober 2018 mehr als sich empören und ein klares Zeichen für ein vielfältiges Miteinander setzen. Zeigen, dass sie sich Werten wie Respekt, Toleranz und Dialogbereitschaft verpflichtet fühlen – und dass Wirtschaftsunternehmen diese Vielfalt brauchen und davon profitieren. Gemeinsam starteten sie die Initiative „Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung“. Mit steigender Tendenz versammeln sich aktuell 26 Unternehmen und Organisationen, darunter wissenschaftliche Institutionen und Bundesligavereine, als Partner unter dem Dach der Initiative. Sie bündeln ihre Kräfte und nutzen gemeinsam Netzwerke. Alle Informationen zu „Offen für Vielfalt“ finden Sie unter www.offenfuervielfalt.de.
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