8. Mai: Friedenskirche erinnert an den Tag der Befreiung

Am 8. Mai 1945, also vor 75 Jahren, wurde Deutschland von der nationalsozialistischen Herrschaft befreit. Der Kirchenvorstand der Friedenskirche erinnert an diesen historischen Tag und die Millionen Opfer der Gewaltherrschaft.

Mit seiner Rede 1985 hatte Bundespräsident Richard von Weizsäcker den 8. Mai als einen Tag der Befreiung bezeichnet: „Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“. Da in diesem Jahr keine Versammlungen möglich sind, schließt sich der Kirchenvorstand dem Aufruf von Esther Bejarano an. Bejarano hat als jüdisches Mädchen Auschwitz überlebt. Sie ruft dazu auf, an den Gedenkstätten und Mahnmalen für die Opfer des Nazi-Regimes an diesem Tag eine Blume abzulegen.
Mit vielen weiteren Organisationen sind die Kasseler Bürgerinnen und Bürger, damit auch unsere Gemeindeglieder, aufgerufen, ein Zeichen der Erinnerung im Stadtbild zu setzen. Im Vorderen Westen, wie auch in der ganzen Stadt, erinnern Stolpersteine an die Geschichte ermordeter Mitbürgerinnen und Mitbürger. Franziska Flögel, Kirchenälteste der Friedenskirche, erinnert in der Lessingstraße mit einer Blume an die Geschichte der Familie Lieberg. Wie Stadtteilhistoriker Wolfgang Matthäus recherchierte, lebten Hertha und Wilhelm Lieberg mit dem Sohn Ralf in der Lessingstraße 18. Am 1.6.1942 wurden sie nach Majdanek und Sobibor deportiert und ermordet. Die Tochter Marion konnte 1939 mit einem Kindertransport nach England gelangen.
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Hintergrund: (Friedens-)Kirche im Nationalsozialismus
Während in der benachbarten Kreuzkirche mit Paul Lieberknecht zumindest bis 1941 ein regimekritischer Pfarrer amtierte, der die Bekennende Kirche in Kassel mitgründete und sich für Juden und Christen jüdischer Herkunft einsetzte, zeichnete sich die Pfarrerschaft der Friedenskirche durch eine ausgesprochene Nähe zum Nationalsozialismus auf. Franz Hochstetter (1908-1936) positionierte sich im „Kirchenkampf“ gegen die Bekennende Kirche und für die Deutschen Christen. Noch deutlicher befürwortete Woldemar Kost (1931-1961/63) den Nationalsozialmus. Einerseits trat er am 1. Mai 1933 in die NSDAP und vorübergehend bei den Deutschen Christen ein. Die Bekennende Kirche kritisierte er auch noch nach 1945 und wurde von der Spruchkammer als Mitläufer eingestuft. Andererseits taufte und konfirmierte er auch „nichtarische Christen“ und positionierte sich damit als „Alternative“ zu Ferdinand Blazejewski in Kirchditmold. Dieser war der einzige kurhessische Pfarrer, der 1945 aufgrund seiner nationalsozialistischen Vergangenheit seines Amtes enthoben wurde. Pfarrer Carl Jagnow (1937-1960), Mitglied der SA-Reserve und auch kurzzeitig im Fronteinsatz, unterstützte zwar eine „Reinigung“ des neuen Testaments von „jüdischen“ Begriffen, wurde aber trotz Nähe zum Nationalsozialsmus von der Spruchkammer freigesprochen.
Mehr zur Geschichte der Pfarrer der Friedenskirche in der Festschrift 100 Jahre Friedenskirche.
Blaschke, Olaf (2019): Die Kirchen und der Nationalsozialismus. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung (Schriftenreihe Band 10377).
Stahl, Michael (2013): Vom Nationalsozialismus in die Demokratie. Die evangelische Landeskirche von Kurhessen-Waldeck während der Amtszeit von Bischof Adolf Wüstemann (1945 – 1963). Stuttgart: W. Kohlhammer.