Bürgerinnen und Bürger als die Vor-Ort-Expertinnen und -experten haben zusammen mit dem Stadtbüro-Team die aktuelle mittendrin Nr. 13 für das Quartier Friedrich-Ebert-Straße erarbeitet. Im aktuellen Heft geht es um die Geschichte des Pfarrers Paul Lieberknecht.
Damit ist das letzte Heft der mittendrin erschienen. Künftig geht es online weiter: www.mittendrin-kassel.de.
Über die Wiederentdeckung eines fast vergessenen Pfarrers, der im Vorderen Westen jüdischen Mitbürgern half.
Auf Beschluss des Ortsbeirates Vorderer Westen soll der bisher unbenannte Weg zwischen Luisenstraße und Wilhelmshöher Allee nach Paul Lieberknecht (1886–1947) benannt werden. Der Weg gabelt sich an der Kreuzkirche, wo Lieberknecht von 1925 bis 1941 als Pfarrer tätig war.
Auf Beschluss des Ortsbeirates Vorderer Westen soll der bisher unbenannte Weg zwischen Luisenstraße und Wilhelmshöher Allee nach Paul Lieberknecht (1886–1947) benannt werden. Der Weg gabelt sich an der Kreuzkirche, wo Lieberknecht von 1925 bis 1941 als Pfarrer tätig war.
Als Mitbegründer der Bekennenden Kirche in Kassel setzte er sich für Juden und Christen jüdischer Herkunft ein. Besonders unterstützte Lieberknecht Dr. Lilli Jahn, eine jüdische Ärztin, die erst im „Arbeitserziehungslager“ Breitenau bei Guxhagen interniert wurde, als Zwangsarbeiterin für B. Braun Melsungen arbeitete und 1944 in Auschwitz ermordet wurde. 2014 benannte die Stadt den Platz vor der Adventskirche in der Germaniastraße nach ihr.
Als mutiger Helfer nahm Lieberknecht Vorladungen und Überwachung durch die Geheimpolizei auf sich. Von der Gestapo wurde er ständig bedroht, im NS-Hetzblatt „Stürmer“ als „Judenknecht“ verächtlich gemacht sowie von der Kirchengemeinde angefeindet. Angesichts des politischen Drucks hatte er auf die Unterstützung seiner Kirche gehofft. Diese wurde ihm jedoch versagt, weil er sich von seiner Frau Charlotte trennen wollte. Von der Kirchenleitung vor die Wahl gestellt, „Ausscheiden aus dem Pfarrberuf“ oder „Verzicht auf die Ehescheidung“, legte Lieberknecht sein Pfarramt 1941 nieder und trat ein Jahr später resigniert aus der Kirche aus.
„Paul Lieberknecht ist Unrecht geschehen“
Nach dem Krieg lehnte die Kirchenleitung seinen Antrag auf Wiedereinsetzung ins Pfarramt ab und kolportierte die rufschädigende Vermutung, Lieberknecht habe sich nach seinem Kirchenaustritt den Nationalsozialisten angeschlossen. Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar, der das Wirken Lieberknechts erforschte, stellte fest: „Der Urheber dieser Verdächtigungen lässt sich nicht mehr ermitteln.“ Die Verleumdung, er sei nur Nutznießer der NS-Diktatur gewesen, hat Lieberknecht an seiner Kirche verzweifeln lassen. Ende 1945 gründete er in Kassel eine Notgemeinde, besonders für Christen jüdischer Herkunft. Am 1. April 1947 verstarb Lieberknecht im Alter von 61 Jahren.
Obwohl seine zweite Frau Maria ihn unterstützte und für ein ehrenvolles Andenken kämpfte, geriet das Schicksal Lieberknechts in Vergessenheit und erst zum 100-jährigen Jubiläum der Kreuzkirchengemeinde 2006 wieder in den Fokus. Anhand von Dokumenten und Nachlässen deckten Gemeindemitglied Mechthild-Veronika Burckhardt, Pfarrerin Dr. Ursel Wicke-Reuter, Studentin Lisa Loer und Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar die Geschichte Lieberknechts wieder auf.
Seit September 2019 erinnert eine Gedenktafel in der Kreuzkirche an Paul Lieberknechts erschütterndes Schicksal. Zur Einweihung sagte Martin Hein: „Aus heutiger Sicht ist Paul Lieberknecht Unrecht geschehen.“ Viele kirchliche Akteure, die mit den Nationalsozialisten kooperierten, seien hingegen ungeschoren davongekommen, so der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. „Die Härte der Kirchenleitung, mit der Lieberknecht damals eine Rehabilitierung verweigert wurde, ist unerträglich.“
Als mutiger Helfer nahm Lieberknecht Vorladungen und Überwachung durch die Geheimpolizei auf sich. Von der Gestapo wurde er ständig bedroht, im NS-Hetzblatt „Stürmer“ als „Judenknecht“ verächtlich gemacht sowie von der Kirchengemeinde angefeindet. Angesichts des politischen Drucks hatte er auf die Unterstützung seiner Kirche gehofft. Diese wurde ihm jedoch versagt, weil er sich von seiner Frau Charlotte trennen wollte. Von der Kirchenleitung vor die Wahl gestellt, „Ausscheiden aus dem Pfarrberuf“ oder „Verzicht auf die Ehescheidung“, legte Lieberknecht sein Pfarramt 1941 nieder und trat ein Jahr später resigniert aus der Kirche aus.
„Paul Lieberknecht ist Unrecht geschehen“
Nach dem Krieg lehnte die Kirchenleitung seinen Antrag auf Wiedereinsetzung ins Pfarramt ab und kolportierte die rufschädigende Vermutung, Lieberknecht habe sich nach seinem Kirchenaustritt den Nationalsozialisten angeschlossen. Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar, der das Wirken Lieberknechts erforschte, stellte fest: „Der Urheber dieser Verdächtigungen lässt sich nicht mehr ermitteln.“ Die Verleumdung, er sei nur Nutznießer der NS-Diktatur gewesen, hat Lieberknecht an seiner Kirche verzweifeln lassen. Ende 1945 gründete er in Kassel eine Notgemeinde, besonders für Christen jüdischer Herkunft. Am 1. April 1947 verstarb Lieberknecht im Alter von 61 Jahren.
Obwohl seine zweite Frau Maria ihn unterstützte und für ein ehrenvolles Andenken kämpfte, geriet das Schicksal Lieberknechts in Vergessenheit und erst zum 100-jährigen Jubiläum der Kreuzkirchengemeinde 2006 wieder in den Fokus. Anhand von Dokumenten und Nachlässen deckten Gemeindemitglied Mechthild-Veronika Burckhardt, Pfarrerin Dr. Ursel Wicke-Reuter, Studentin Lisa Loer und Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar die Geschichte Lieberknechts wieder auf.
Seit September 2019 erinnert eine Gedenktafel in der Kreuzkirche an Paul Lieberknechts erschütterndes Schicksal. Zur Einweihung sagte Martin Hein: „Aus heutiger Sicht ist Paul Lieberknecht Unrecht geschehen.“ Viele kirchliche Akteure, die mit den Nationalsozialisten kooperierten, seien hingegen ungeschoren davongekommen, so der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. „Die Härte der Kirchenleitung, mit der Lieberknecht damals eine Rehabilitierung verweigert wurde, ist unerträglich.“