Morschen (medio). Der Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Volker Knöppel, hat am Mittwoch (27.04.) den Mitgliedern der Landessynode einen umfassenden Überblick über die Finanzsituation der Landeskirche und die in den kommenden Jahren anstehenden Herausforderungen gegeben (Finanzbericht 2016). Schwerpunkte dabei waren die aktuelle Entwicklung der Kirchensteuereinnahmen und die Personalsituation der Landeskirche.
Kirchensteuereinnahmen sind mit 70 Prozent wichtigste Einnahmequelle
Dr. Knöppel wies darauf hin, dass die Kirchensteuer mit einem Anteil von rund 70 Prozent nach wie vor die wichtigste Einnahmequelle der Landeskirche sei. Die Einnahmen würden im Verhältnis von 50:50 einerseits für den landeskirchlichen Teil des Haushalts verwendet und andererseits als Zuweisungen an die Kirchengemeinden verteilt. Dabei bedeute die Verteilung 50:50 nicht, dass die Kirchensteuereinnahmen je hälftig von der Landeskirche oder von den Kirchengemeinden verbraucht würden. So werde beispielsweise die Besoldung und Versorgung der Gemeindepfarrstellen im landeskirchlichen Teil veranschlagt, komme aber den Kirchengemeinden mit ihren Pfarrstellen zugute; ebenso verhalte es sich mit der Veranschlagung gesamtkirchlicher Aufgaben wie der des Intranet, dessen Kosten ebenfalls im landeskirchlichen Teil veranschlagt seien, erläuterte Knöppel.
Trotz guter Konjunktur zeichnen sich bereits finanzielle Einbrüche ab
Deutlich sei in den letzten Jahren die Konjunkturabhängigkeit der Einnahmen aus der Kirchensteuer zu spüren gewesen. Trotz fallender Gemeindegliederzahlen sei das Gesamtkirchensteueraufkommen seit 2010 von 137,7 Mio. Euro auf nunmehr 172,3 Mio. Euro angestiegen. Ursachen dafür seien die gute Konjunktur und die hohe Erwerbstätigenquote mit regelhaften Lohn- und Gehaltssteigerungen sowie die «kalte Progression» im Einkommensteuertarif. Es zeichne sich allerdings bereits ab, dass sich diese Entwicklung künftig nicht fortsetzen werde: «2015 hatten wir einen Einbruch im Jahresaufkommen der Kircheneinkommensteuer von 9,82 Prozent. Und die Kirchenlohnsteuer, die bislang eine stabile Größe mit moderaten Steigerungen von Jahr zu Jahr war, ist in den Monaten Januar und Februar 2016 erstmals seit fünf Jahren mit 2,96 Prozent beziehungsweise 0,27 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat rückläufig, im März sind die Zahlen wieder positiv», sagte Dr. Knöppel. Der Vizepräsident stellte die Vermutung an, dass sich in diesen Zahlen der Rückgang der Gemeindegliederzahl bemerkbar mache. Diese Entwicklung unterstreiche, dass die 12. Landessynode ihre zukunftsweisenden Beschlüsse zur rechten Zeit getroffen habe. Herzlich dankte Knöppel den Gemeindegliedern für die Entrichtung der Kirchensteuer und anderer Zuwendungen: «Sie tragen damit wesentlich dazu bei, dass unsere Kirche ihre vielfältigen Projekte und Unternehmungen dauerhaft verwirklichen kann.»
Grundsätzliche Bereitschaft zu einer «Generalbereinigung» der Staatsleistungen
Der Vizepräsident berichtete, nach den Kirchensteuern seien die Staatsleistungen die zweite tragende Säule der landeskirchlichen Einnahmen. Im Doppelhaushalt 2016/17 seien Staatsleistungen der Bundesländer Hessen und Thüringen mit einem Gesamtumfang von 26,3 Mio. Euro eingeplant. In einem kurzen geschichtlichen Rückblick erläuterte er, durch den Hessischen Kirchenvertrag seien staatliche Zuschüsse, die bis 1957 auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage erfolgten, durch einen jährlichen Gesamtzuschuss ersetzt worden. Mittels einer Dynamisierungsklausel würden die Staatsleistungen an die Veränderungen der hessischen Besoldung automatisch angepasst. Die Staatsleistungen in Hessen hätten sich durch diese Klausel von ehemals 5,9 Mio. DM in 1960 auf nunmehr 25,65 Mio. Euro in 2016 mehr als verachtfacht. Knöppel erklärte, grundsätzlich seien die Kirchen bereit dazu, eine «Generalbereinigung» der Staatsleistungen vorzunehmen, sollte die Bundesrepublik Deutschland dazu die Initiative ergreifen.
Freiwilliges Kirchgeld und Fundraising sollen Kirchensteuereinnahmen ergänzen
Dr. Knöppel wies ebenso auf die Bemühungen hin, durch Spendenprojekte in Kirchengemeinden und die flächendeckende Einführung eines freiwilligen Kirchgeldes weitere Finanzmittel zu generieren. Ziel sei es, eine Spendenbitte der Kirchengemeinden in Briefform zu etablieren und zeitgleich eine auf dem Meldewesen aufbauende Softwarelösung einzuführen, die die Verwaltungsaufgaben in engen Grenzen halte. Mittlerweile setzten bereits sieben Kirchenkreise die neue Software ein. Hinzu kämen zahlreiche Kirchengemeinden und die beiden Kirchenkreise Schmalkalden und Ziegenhain, die ein freiwilliges Kirchgeld bereits erhöben. Ausbildungskurse für Haupt- und Ehrenamtliche würden angeboten.
Mitarbeitende sind die wichtigste Ressource der Kirche
«Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource zur Erfüllung unseres kirchlichen Auftrages», betonte der Vizepräsident. Dies zeige sich zum Beispiel daran, dass in den kirchlichen Haushalten im Durchschnitt 70 bis 80 Prozent der Gesamtaufwände auf das Personal entfielen. Dr. Knöppel berichtete, im nichtpfarramtlichen Dienst gebe es in der Landeskirche aktuell 9.734 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen im Landeskirchenamt 276 Mitarbeitende tätig seien. Mit je rund einem Viertel bildeten die Küster, Hausmeister und Raumpfleger sowie die Mitarbeitenden in Tageseinrichtungen für Kinder die größten Gruppen. Der Beschluss der Herbstsynode 2015, bis 2026 rund 250 Vollzeitäquivalente abzubauen, werde zwangsläufig zu einer Reduzierung der Zahl der Mitarbeitenden auf allen Ebenen führen.
Künftige Generationen nicht mit Kosten der Vergangenheit belasten
Knöppel wies weiterhin auf die bestehende Versorgungslücke in den Ruhegehaltskassen in Höhe von 194 Mio. Euro hin, die langfristig reduziert werden müsse: «Für den Abbau dieser Versorgungslücke wurden im Rahmen des Nachtragshaushaltsplanes 2013 erste Einmalzahlungen an die VERKA in Höhe von 40 Mio. Euro und an die ERK in Höhe von 20 Mio. Euro bereitgestellt.» Weitere Einmalzahlungen seien in den kommenden Jahren notwendig. Ziel sei es, die Versorgungslücke spätestens bis zum Jahr 2030 (Höhepunkt der Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge) abzubauen. «Künftige Generationen sollen nicht mit den Kosten der Vergangenheit belastet werden», so Dr. Knöppel wörtlich. (27.04.2016)