Am 16. Oktober wurde im Stadtteilzentrum Vorderer Westen das Buch „Burchard Lieberg – ein Abenteurer Gottes“ vorgestellt. Der Untertitel der 118-seitigen Schrift lautet „Eine Spurensuche zum 100. Geburtstag“. Lieberg, von 1961 bis 1979 Friedenskirchenpfarrer, organisierte ab 1964 systematisch Hilfe für Glaubensbrüder und -schwestern in seiner estnischen Heimat, die von 1939 bis 1991 zur Sowjetunion gehörte.
Anfänglich lief die Osthilfe konspirativ und streckenweise auch kurios ab. Talarknöpfe wurden in Konfekt-Schachtel versteckt, 40 Ausgaben Luthers Kleinen Katechismus in Jacketttaschen geschmuggelt. Mit den Fußabdrücken estnischer Jugendlicher wurden 28 Paar Markensportschuhe gekauft und verteilt auf eine ganze Reisegruppe durch den Zoll geschleust.
Zum Ende der Sowjetunion und erst recht nach dem Fall des eisernen Vorhangs kannte die Estlandhilfe keine Grenzen mehr. Allein in den Jahren 1992 bsi 1996 kamen 1.25 Millionen DM zusammen. 260 in Deutschland nicht mehr gebrauchte Landmaschinen kamen so nach Estland, ebenso medizinisches Gerät zur Ausrüstung von Krankenhäusern. Ein eigens beschaffter LKW pendelte bis zum Entzug der Zulassung zwischen Estland und Deutschland, um die Hilfslieferungen zu transportieren.
Zur Buchvorstellung waren über 30 Personen gekommen, Autoren, Wegbegleiter von Lieberg, Mitglieder des Andreaskreises und Interessierte. Der Andreaskreis, gegründet 1971, diente der Informationsbeschaffung und dem Austausch über kirchliche Verhältnisse in der UdSSR. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wusste anfänglich so gut wie nichts über den Protestantismus in der Sowjetunion. Nur eine einstellige Zahl an Gemeinden war bekannt und der EKD waren damals gute Beziehungen zur Orthodoxie (und zu offiziellen Stellen) wichtiger. Lieberg als langjähriger Vorsitzender des Andreaskreises versuchte auf seinen Reisen in die UdSSR so viele neue Kirchengemeinden kennenzulernen wie möglich. Beispielsweise sprach Lieberg laut deutsch auf belebten Marktplätze und warte Reaktionen der Passanten ab, um so protestantische Gemeinden ausfindig zu machen. In einigen Jahren besuchte er bis zu 30 Kirchengemeinden, um vor Ort zu schauen, wie geholfen werden kann.
Für sein Engagement wurde Lieberg, der 2003 verstarb, hoch dekoriert: Kirchenrat, Titularprobst, Bundesverdienstkreuz, Marienlandorden der Republik Estland, um einige Beispiele zu nennen.
Das Foto von Heiner Koch zeigt Oberlandeskirchenrätin Dr. Ruth Gütter (Dezernentin für Ökumene, Weltmission und Entwicklungsfragen bei der EKKW) und Propst Tiit Salumäe (Estnische Evangelisch-Lutherische Kirche). Die EELK ist eine Partnerkirche unserer Landeskirche.
Angeregt durch den baltendeutschen Pfarrer Burchard Lieberg, der bereits lange vor Öffnung der Sowjetunion im Geheimen besonders seine Heimatkirche in Estland unterstützt hatte, wuchs nach der politischen Wende Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts eine lebendige Partnerschaft zwischen der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und der Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Diese umfasst neben dem regelmäßigen Austausch der Kirchenleitungen, besiegelt durch einen 2001 geschlossenen Partnerschaftsvertrag auch die mittlere Ebene, wo vier Kirchenkreise der EKKW partnerschaftliche Kontakte pflegen. Zudem gibt es im Bereich des Gemeindeaufbaus und der HIV/Aids-Prävention Projekte, die gemeinsam entwickelt wurden und seitdem von Seiten der EKKW maßgeblich unterstützt werden. Weitere Informationen zur Kirchenpartnerschaft gibt es hier.
Das Buch kann für 12 Euro im Buchhandel bestellt werden: Tiit Salumäe & Michael Schümers (Hg. 2014): Burchard Lieberg – ein Abenteurer Gottes. Eine Spurensuche zum 100. Geburtstag. Erlangen: Martin-Luther-Verlag. ISBN: 978-3-87513-184-0
// lk, 23. Oktober | Wir bemühen uns um eine bessere Präsentation der Friedenskirchenpfarrer/innen auf der Gemeindewebseite. Kurzportraits finden Sie in unserer 100-Jahr-Festschrift.